Grenzland

Julia öffnet die Augen. Alles ist weiß.
Sie blinzelt benommen, zwinkert mit den Lidern – einmal, zweimal – schließt die Augen und öffnet sie wieder. Nichts hat sich verändert. Alles ist weiß.
Sie liegt flach auf dem Rücken, die Arme seitlich am Körper. Sie blickt starr nach oben. Es gibt keine Decke über ihr, und in den Augenwinkeln keine Wände, keine Möbel. Sie weiß nicht, wo sie ist, ob sie gerade träumt oder wach ist. Sie lauscht in die Stille hinein und hält den Atem an. Nichts ist zu hören.
Ihr Herz schlägt schnell und hart. Sie spürt einen Kloß im Hals und schluckt. Was ist das hier? Vorsichtig dreht sie den Kopf und sieht sich um. Nichts ist zu sehen. Ihre Augen wandern unruhig umher, versuchen einen Punkt festzumachen, irgendetwas Vertrautes zu erblicken, doch da ist nichts. Nichts um sie herum – nur diese weiße, strukturlose Leere.
Sie öffnet die Hand und tastet nach dem Untergrund, auf dem sie liegt. Sie weiß nicht, was sie erwartet, eine Decke vielleicht, oder harten Beton. Doch was sie fühlt ist gar nichts. Ihre Finger scheinen taub zu sein, überall dort, wo sie den Boden berührt. Sie streicht mit den Fingerkuppen über den Untergrund, presst die Handfläche dagegen. Sie kann nichts spüren.
Es dauert eine Weile, bis sie den Mut findet, sich langsam aufzusetzen. Sie spannt ihre Muskeln an, ganz bewusst, einen nach dem anderen, hebt behutsam ihren Oberkörper. Sie ist nackt. Vollkommen nackt. Julia zieht angespannt Luft durch die Zähne. Was hat das zu bedeuten? Freiwillig hat sie sich sicher nicht ausgezogen. Sie mag es nicht, nackt zu sein. Niemals. Nackt sein bedeutet verwundbar sein. Schwach. Julia will niemals schwach sein.