Schlafes Schwester

Sie betritt das Hotel durch eine gläserne Drehtür, und sie trägt nichts als einen schwarzen Spitzen-BH und einen Slip mit offenem Schritt unter ihrem langen Ledermantel. Sie schaut zurück, weil sie glaubt, verfolgt zu werden, doch niemand ist da. Niemand ist hinter ihr.
Die lang gezogene, hohe Halle liegt in diffusem Dämmerlicht. Mächtige Rundsäulen stützen das kathedralenartige Deckengewölbe, die weiß getünchten Steinwände sind kahl und schmucklos. Sie geht an einem ehemaligen Fenster vorbei, vor dessen zugemauertem Rundbogen der schwere Stoff eines dunkelroten Samtvorhangs auf dem Boden liegt, darüber neigt sich eine halb abgerissene Gardinenstange. Ein älteres Paar streift lautlos an ihr vorüber und gleitet auf die weit geöffneten Flügel des Speisesaals zu.
Sie durchquert die Halle mit langsamen Schritten, und die hochhackigen Absätze ihrer Stiefel klacken laut und dominant auf dem Karo der schwarz-weißen Fliesen. Der Mann an der Rezeption schaut auf, doch er sieht durch sie hindurch.
In der Mitte der Halle stehen zwei ausladend geformte Ohrensessel mit zerschlissenen Polstern. Zwei Männer in grauen Anzügen sitzen dort und beobachten sie mit ausdruckslosen Gesichtern. Sie halten dicke Zigarren zwischen den Fingern, Rauch steigt in dünnen Fäden auf.
Sie geht zu den Fahrstühlen und stellt sich zu drei wartenden Frauen in eng anliegenden Kostümen. Sie tragen einheitliche kurze Jacke und kurze Röcke, und ihre hellen, makellosen Strumpfhosen schimmern seidig. Sie wenden sich ab und flüstern leise miteinander, doch sie hört nicht hin. Ihre zischenden Stimmen verschmelzen zu einem monotonen, hohen Summen in ihrem Kopf. Sie blickt nach oben und sieht einen wuchtigen Lüster aus verstaubtem Kristall, doch sein Licht ist kraftlos und trüb und entflieht die hohen Wände entlang in die Unendlichkeit des Gemäuers.
Einer der Fahrstühle öffnet sich, und die Frauen steigen ein. Sie blicken abwartend zurück, doch sie bewegt sich nicht. Die Tür gleitet zu, und sie sieht ihre verschwommene Silhouette im reflektierenden Glanz des polierten Metalls. Sie denkt, dass dies ein Traum ist. Das ist nicht sie. Sie sieht sich, doch sie ist nicht sie.